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Dienstag, 26. März 2013

The Waste Land


"Denn die ganz Kleinen sind die Touristen von morgen."
Zitat aus einer NDR-Reportage über die Marketing-Aktivitäten der "Blütenkönigin" im Alten Land.



Moon Valley, Namibia
Bildung – angefangen von der frühkindlichen Erziehung im Elternhaus, in den Kindertagesstätten, über die Grund- und weiterführenden Schulen bis hin zur Berufsschule und höheren akademischen Ausbildung: In keinem anderen gesellschaftlichen Bereich sind die Fronten derart verhärtet, wird verbissener um jeden Zentimeter Deutungshoheit, um die Macht über die jungen Köpfe und Seelen, um die zukünftigen Gestalter, um den Erhalt der je eigenen ideologischen Ausrichtung gekämpft.

Das hat seinen guten Grund. Denn die Bedingungen und Veränderungen in diesem Bereich sind für jede Gesellschaftsform auch die wichtigsten, entscheidenden und nachhaltigsten. Die Erkenntnisse der Hirn- und Lernforschung jedenfalls legen nahe, dass keine andere Lebenspanne des Menschen so viele Entfaltungspotentiale parat hält wie die ersten 20 Lebensjahre. Gleichzeitig jedoch – das ist die vielfach verdrängte Schattenseite - gibt es keine andere Lebensphase, die so verletzlich ist, in der so viel kaputt gemacht und unwiderruflich zerstört werden kann, in der zu frühe und falsche Weichenstellungen für einen mittlerweile unsicheren, prekären Arbeitsmarkt so schwerwiegende und in der Regel nicht mehr korrigierbare Folgen haben.


Mobbinghochburg Deutschland


"Der Sündenbock als Opfer der Gründungsgewalt ist jedoch niemals lediglich ein Objekt des Hasses, sondern ebenso ein Geschöpf der Verehrung: Er sammelt den einmütigen Haß aller in sich auf, um die Gemeinschaft davon zu befreien. Er ist ein metabolisches Gefäß."
Botho Strauß, Anschwellender Bocksgesang, in: DER SPIEGEL 6/1993, 08.02.1993, S. 202-207



Sinkendes Schiff, Aquarell
Der Begriff "Mobbing" stammt ursprünglich aus der Zoologie. Der Verhaltensforscher  Konrad Lorenz beobachtete ein bestimmtes Verhalten von Gruppenangriffen bei Tieren, insbesondere bei Vögeln, das der Abwehr von Fressfeinden dient. Später wurde der Begriff auch im gruppenpsychologischen Kontext verwendet, wenn Gruppenmitglieder eine Einzelperson attackieren, die in irgendeiner Hinsicht von der Gruppennorm abweicht. Der Arbeitspsychologe Heinz Leymann übertrug die tierischen Verhaltensmuster auf Menschen, speziell im Arbeitsleben.

Mobbing ist aus dem englischen "to mob" abgeleitet und bedeutet belästigen, anpöbeln, über jemanden herfallen, angreifen, attackieren. Das deutsche Wort "Mob" hingegen bezeichnet eine gewaltbereite und gewalttätige Meute, ein Gesindel, einen Pöbel, eine Bande.

Es ist hilfreich, sich den Ursprung dieser Wortbedeutung vor Augen zu führen, wenn man sich mit dem Phänomen beschäftigt. Denn es zeigt sich, dass Menschen mitnichten den Tieren moralisch und intellektuell so weit überlegen sind, wie sie sich gern darstellen.

Mittwoch, 20. März 2013

"Das kann ich auch" - Über einen missachteten Berufsstand



"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."
Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, 1921, Satz 5.6




Grootberg, Namibia
Seit einigen Jahren muss ich folgende Beobachtung machen: Immer mehr Menschen sind nicht mehr in der Lage, den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Text zu erkennen. Das bedeutet für alle, die sich auf diesem Gebiet beruflich betätigen - Redakteure, Journalisten, Werbetexter, Lektoren, Autoren - eine schleichende Entwertung ihrer Arbeit, und das nicht nur materiell. Immer mehr Menschen fühlen sich inzwischen berufen, ihnen in ihr Handwerk zu pfuschen, offenbar in der unumstößlichen Überzeugung "Das kann ich auch, das ist doch nichts Besonderes. Lesen und Schreiben lernt man doch schon in der Schule." Verständlicherweise besteht eine große Abneigung, den Textmenschen für ihre Arbeit auch noch Geld zu zahlen, für eine Arbeit nämlich, die in den Augen vieler erstens als zweitrangig angesehen wird ("Wer liest denn heute überhaupt noch?") und zweitens potentiell als Arbeit, für man keinerlei spezielle Ausbildung benötigt.


Der meistverkaufteste Staubsauger



"Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens."
Karl Kraus (1874-1936) in: Die Fackel 288, S. 14, Pro domo et mundo




Man sollte (sollte man wirklich?) sich mittlerweile daran gewöhnt haben, aber es nervt mich weiterhin, und ich werde mich nie daran gewöhnen: In den Medien – Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Nachrichtensendungen – wimmelt es nur so von Schreib- und Sprachfehlern. Die neuen Regeln der Rechtschreibreform, und hier vor allem der Unterschied zwischen dem Relativpronomen "das" und der Konjunktion "dass" (vor der Reform: "daß") haben offensichtlich nicht nur weite Teile der Normalbevölkerung überfordert, sondern sogar die Textprofis, wie folgende Beispiele zeigen.


Mittwoch, 13. März 2013

Geschlossene Gesellschaft


"Den Fortschritt verdanken wir den Nörglern. Zufriedene Menschen wünschen keine Veränderung."
H. G. Wells



Fliegender Drachen. Dänemark
Jean Améry, Carl Friedrich Gauß, Johann Gottlieb Fichte, Adalbert Stifter, Edgar Allan Poe,
Nicolaus Lenau, Hans Christian Andersen, Albert Camus, Miguel de Servantes SaavedraCharles Dickens, Maxim Gorki, Knut Hamsun, Christian Friedrich Hebbel, Hermann Hesse, Johann Gottfried Herder, Jean Paul,  James Joyce, John Osborne, George Bernhard Shaw, August Strindberg, Jonathan Swift, Leo N. Tolstoi, Vergil, Walther von der Vogelweide, Herbert George Wells.

Und man könnte hier noch Dutzende weiterer Beispiele anführen. Die erste Gemeinsamkeit fällt einem erst auf, wenn man sich die jeweiligen Biografien ansieht. Diese großen Schriftsteller und Denker sind in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hatten eine unglückliche Kindheit, erlitten früh Schicksalsschläge wie den Tod eines oder beider Elternteils, konnten nur in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten.