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Sonntag, 16. Juni 2013

Mulier taceat in ecclesia I


"Das Überleben der modernen Ökonomien hängt von der bezahlten und unbezahlten Arbeit, der Kaufkraft und der Reproduktionsfähigkeit von Frauen ab. Dass Frauen sich dieser Macht bewusst würden, wäre unerträglich: die Gefahr einer Revolte wäre zu groß. Wenn die Konsumgesellschaft in der Art und Weise weiterexistieren soll wie gewohnt, ist es unabdingbar, dass diese latente Macht enteignet, bezähmt und gefügig gemacht wird."
Laurie Penny: Fleischmarkt, Edition Nautilus 2012, S. 9



Kamanjab, Namibia

Vorbemerkung


Es geht in diesem Essay nicht um die Frage auf Sandkastenniveau, wer die bessere Hälfte ist, es geht nicht um ein primitives Entweder-Oder, um ein Gegeneinander ausspielen. Charaktermängel und verwerfliches Verhalten sind über die Geschlechter gleichmäßig verteilt. Ich habe und hatte in meinem Leben mit völlig verkorksten, abgrundtief niederträchtigen, hinterhältigen, heuchlerischen, feigen und vor allem zum Erbrechen intriganten Frauen zu tun. Sondern es geht um die grundsätzliche Frage nach der Rechtfertigungsfähigkeit von realer männlicher Herrschaft, der männlichen Anmaßung einer a priori-Vorrangstellung, um die Bedingungen der Möglichkeit von Gleichberechtigung, um universale Menschenrechte.

Der patriarchale Rollback, den Deutschland mittlerweile auf Kosten der Frauen vollzogen hat, wird sich früher oder später auch in anderen Industrieländern mit alternder Bevölkerung, gesättigten Konsummärkten und hoher struktureller Arbeitslosigkeit aufgrund wegrationalisierter Arbeitsplätze vollziehen, während gleichzeitig die heutigen Rohstoff- und bevölkerungsreichen Schwellenländer von den Großkonzernen aus Profitinteresse gnadenlos re-kolonialisiert werden. Und früher oder später steht dann steht die Menschheit wieder da, wo sie vor Beginn der Zeitrechnung stand. Der einzige "Vorteil", den ich in der vollständigen Entrechtung der Frauen erkenne, ist der, dass sich die Selbstvernichtung des "homo sapiens", "mankind", Gottes Ebenbild, schneller vollzieht. Wesentlich schneller. Es gibt unter anderem einfach mittlerweile zu viele irre, machtbesoffene Potentaten auf der Welt und zu viele Massenvernichtungswaffen, als dass sich ein anderes Szenario denken ließe.

Die Frage ist, ob und wann es der Menschheit noch rechtzeitig gelingt, endlich zu erkennen, dass Gewalt als Mittel zur Etablierung und Aufrechterhaltung von usurpierter männlicher Herrschaft – und zwar Gewalt sowohl gegen Frauen als auch gegen Männer - niemals eine Lösung sein kann, sondern sich immer rächt, auf die eine oder andere furchtbare Weise. Gewalterfahrung wird vererbt, von Generation zu Generation, überall auf der Welt. Von ihren Vätern, anderen männlichen Familienmitgliedern, Partnern und Ehemännern vergewaltigte, geschlagene, gedemütigte Frauen rächen sich an ihren eigenen Kindern. Und es stünden für Frauen noch weitere, unerhörte Methoden zur Verfügung, um aus dem patriarchalen Käfig auszubrechen. Ein weltweiter sofortiger Stopp von (schlecht) bezahlter Erwerbstätigkeit und vor allem unbezahlter Hausarbeit (kochen, putzen, waschen, einkaufen) und ehrenamtlicher Arbeit, die sofortige Verweigerung der Kindererziehung und Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, ein Konsum- und als ultima ratio Gebärstreik zum Beispiel. Wer oder welche Drohkulisse sollte Frauen denn daran hindern? Viel schlimmer als das, was sie bereits heute zu erdulden haben, kann es ja kaum noch werden. Natürlich ist es verantwortungslos, wenn Frauen schutzbedürftige Kinder im Stich lassen, aber auch nicht verantwortungsloser als Männer, die ihre Frauen mitsamt ihren Kindern sitzen lassen, sich ihren Unterhaltsverpflichtungen entziehen  und sich spätestens nach dem ersten Kind um jede Form einer Beteiligung an der Hausarbeit drücken.

Fressen oder gefressen werden


Deutschland befindet sich spätestens seit der Lehmann-Pleite und dem Börsencrash von 2008 in einer Dauerkrise. Die historische Situation ist einmalig, es gibt für sie keine Blaupause, kein Blick in die Vergangenheit liefert Rezepte für die Zukunft. Da nützen auch keine Schnellschuss-Vergleiche mit "Weimarer Verhältnissen". Man spürt: Jetzt geht es ans Eingemachte.

Die weltweite Finanzkrise ist jedoch nur der vorläufige Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung, deren Startschuss in Deutschland mit dem sogenannten "Lambsdorff-Papier" im September 1982 fiel – die ideologische Begleitmusik zur "geistig-moralischen Wende" vom frisch gewählten Bundeskanzler Kohl, unter anderem mit dem Ergebnis einer hemmungslosen Umverteilung von der Unter- und insbesondere der Mittelschicht nach oben, der Zementierung abgeschotteter Oberschichten-Seilschaften und dem Ausverkauf öffentlichen Eigentums. Privat geht vor Staat, heißt die Devise, und: "There is no such thing as society".

Die Ideologie des globalen Neoliberalismus hat - und man muss zugeben, das ist psychologisch durchaus geschickt - die größten menschlichen Schwächen eiskalt ausgenutzt und für seine Zwecke instrumentalisiert: Die Machtgier, die narzisstische Sucht nach Aufmerksamkeit und Status, die nur über Ausgrenzung und Abwertung befriedigt werden kann. Deshalb funktioniert diese Ideologie auch so gut, zumindest für die Minderheit der Profiteuere des Systems. Auf den menschlichen – (oder sollte man hier nicht sagen männlichen) Makel ist 100% Verlass. Für den Rest der Weltbevölkerung, für die Mehrheit, die mit dem Geburtsrecht auf ihren vordefinierten Opferstatus, bewirkt diese menschenverachtende Ideologie so etwas wie eine Pervertierung ihrer wahren Natur, ihrer Humanität. Denn die Leitwissenschaft unserer Tage, die Neurologie, zeigt: Kooperatives Verhalten und Empathie sind ebenso stark im menschlichen Verhalten angelegt. Wir sind deshalb dazu verdammt, von Geburt bis zum Tod einen wichtigen Bestandteil des angeborenen menschlichen Sozialverhaltens abzutöten, wenn wir nicht von unseren lieben Mitmenschen gefressen werden wollen.

Inzwischen fliegen uns die hausgemachten Probleme, die böse Saat, die der Neoliberalismus gesät hat und immer noch sät, buchstäblich täglich nur so um die Ohren - alle gleichzeitig, alle höchst akut und in jeder Hinsicht überlebenswichtig.

Ein sehr wirkungsvolles Erfolgsrezept des Neoliberalismus ist es, die infolge dieser Ideologie benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen zu spalten, ihnen Feindbilder zum Fraß vorzuwerfen und dabei zuzusehen, wie sie sich untereinander zerfleischen. Die zugrundeliegende Maxime "Teile und Herrsche" ist ein Rückgriff auf einen der Ratschläge Niccolò Machiavellis an die Medici in seinem Werk "Il Principe" von 1513.

Es gibt nur wenige Zeitgeist-Kommentatoren, die sich trauen, Ross und Reiter zu benennen. Eine von ihnen ist SPIEGEL-Kolumnistin Sybille Berg:
"Die Frau in Indien weiß, wie sie sich korrekt zu verhalten hat. Sie stirbt aus und ist dann mal weg. Bei uns nerven sie noch rum. Quengeln, sind bissig und wollen nicht im Stehen pissen. Nichts ist mehr, wie es war, nichts ist mehr sicher, das haben selbst die Männer gemerkt. Nicht einmal Zeitungen funktionieren mehr wie früher. Also, okay, sie funktionieren schon noch wie früher, es kauft sie nur kaum noch einer. Könnte daran liegen, dass die Betrachtung der Welt durch die eine Hälfte der Menschheit, die männliche, die andere Hälfte, die weibliche, nicht mehr rasend interessiert. Dazu kommen die Homosexuellen, denen die männliche heteronormative Sichtweise auch zu langweilig geworden ist, weil sie sich ja nicht so sehr bewährt hat. Für die meisten. Für zwei Prozent, männlich, die das Vermögen der Welt unter sich aufteilen, schon. Also: Frauen weg, Homosexuelle weg, da bleiben nicht so viele, und die jungen Menschen lesen lieber ihre eigenen Blogs. Daran sind die Frauen schuld. Die uns schwach machen."
Trotz mittlerweile jahrzehntelanger neoliberaler Gehirnwäsche gibt es immer noch Kommentatoren, die das gezinkte Spiel durchschauen:
5.
44. Reichtum und Macht

Was wir heute erleben, ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Das Patriarchat in der "aufgeklärten" westlichen Welt kann den Frauen wieder die Stimmrechte entziehen, das Recht, ein eigenes Konto zu führen und den Führerschein zu machen, einen Beruf auszuüben, die Abtreibung unter Todesstrafe stellen, die Hexenjagd wieder einführen, kurz: der Hälfte der Weltbevölkerung die universalen Menschenrechte abzusprechen. Salto rückwärts ins Mittelalter.

Alle Macht dem Reptilienhirn


Um das Ausmaß der aktuellen Frauendiskrimierung und -verachtung deutlich zu machen, genügt ein Blick zurück in das Jahr 2003, genauer in die Titelgeschichte des SPIEGEL Nr. 38/2003: "Das Y-Chromosom. Warum gibt es eigentlich Männer?"
"Auf der jahrelangen Suche nach dem Kern alles Männlichen nämlich sind die Erbgutdetektive auf Hinweise gestoßen, dass das Y-Chromosom, die Heimat des Mannmacher-Gens, im Niedergang begriffen ist. Es schrumpft. In den vergangenen 300 Millionen Jahren hat das Y-Chromosom bereits zwei Drittel seiner ursprünglichen Größe eingebüßt, und dieser Trend setzt sich fort. Damit scheint unausweichlich, dass die Männer aussterben werden. Die Frage ist nur noch: wann? Zunehmend setzt sich unter den Genforschern die Einsicht durch, dass das vermeintlich starke Geschlecht in Wirklichkeit ein Mangelwesen ist. (...) Der Quell des Übels lässt sich in jedem männlichen Zellkern betrachten. Frauen tragen in ihren Zellen zwei vitale X-Chromosomen; diese sind weitgehend identisch und dienen wechselseitig als Sicherheitskopien, wenn auf einem von ihnen Fehler und Brüche entstehen oder gar ganze Bröckchen verloren gehen.
Männer dagegen erscheinen wie gentechnisch verkorkste Frauen, denen die Natur einen Geburtsfehler im Zellkern verankert hat. Anstelle des zweiten X-Chromosoms besitzen sie nur ein einsames, verkürztes Y-Chromosom. Und dieser Mickerling hat die Fähigkeit verloren, sich zu regenerieren. Die Folge: Mutationen sowie genetische Verluste werden unweigerlich vom Vater auf den Sohn vererbt. Im Laufe der Ahnenreihe sind bereits Hunderte Gene dem Schwund zum Opfer gefallen. (...) Die Erkenntnisse der Biologen über den Abstieg des Mannes hallen auf geradezu unheimliche Weise wider in den Hiobsbotschaften der Soziologen. So befinden sich unter den Schurken dieser Welt, aber auch unter deren Opfern Männer weit in der Überzahl. „Gewalt ist männlich“, konstatiert der Osnabrücker Soziologe und Autor Dieter Otten****. Massaker, Mord und Totschlag gehen fast ausschließlich auf das Konto der Männer, aber auch die Organisierte Kriminalität, den Sex-Tourismus, den sexuellen Missbrauch und den Hooliganismus dominieren sie. In Deutschland sind selbst bei Betrug in 99 Prozent der Fälle Männer die Täter."
So ein Titel könnte heute in dem bis aufs äußerste aggressionsgeladenen und vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem sich Männer und Frauen die Schuldzuweisungen nur so um die Ohren hauen, aufeinander herumhacken, nicht mehr veröffentlicht werden.

Der Eindruck, der sich bei der Lektüre dieser SPIEGEL-Titelgeschichte aufdrängt, ist der: Männer sind die kaputtesten Lebewesen auf dem Planeten, aufgrund ihrer biologischen Minderausstattung am wenigsten in der Lage, mit den veränderten globalen und zunehmend bedrohlich werdenden Rahmenbedingungen klarzukommen. Das weibliche Geschlecht ist die höher entwickeltere Form der Spezies. Bis die Evolution die Männerhirne angepasst hat, ist der Planet tot. Der Mann ist ein Auslaufmodell. Genetisch verkrüppelt und unfähig, ungebrochene atavistische Verhaltensschemata in den Griff zu bekommen: Blutrausch, Zerstörungswut, Phallokratie. Das letzte Mittel war und ist immer nur rohe physische Gewalt. Revier markieren, Revier verteidigen, balzen, fortpflanzen, was das Zeug hält, egal wie minderwertig das jeweilige Erbgut sein mag, Fressfeinde töten. Auch wenn es sich dabei um eigene oder fremde Frauen und Kinder handelt. Andere Konfliktlösungsstrategien hat die männliche Hälfte der Menschheit seit ihrer Entstehung vor 2 bis 3 Millionen Jahren nicht zustande gebracht. Eine patriarchale Gesellschaft ist eine Vorherrschaft des Reptilienhirns.

Wenn wir noch weiter zurück ins Jahr 1995 gehen, finden wir Forschungsergebnisse, wie sie der Focus in seiner Ausgabe Nr. 14 veröffentlichte:
 "Bei dem Versuch, durchgeführt im Januar ´95, untersuchte Gur die Hirnfunktion von 24 Frauen und 37 Männern. Nacheinander ruhten sie auf der Liege, den Kopf in der Röhre eines Positronen-Emissions-Tomographen (PET) gebettet. Der registrierte die von der Glukose ausgehende Strahlung. Ein angeschlossener Computer zeichnete aus diesen Daten das Aktivitätsmuster des im Leerlauf arbeitenden Hirns. (...) Am Ende der langwierigen Prozedur stand fest: Selbst in den Ruhephasen des Denkorgans war bei den Männern ein Teil im Schläfenlappen aktiv, der zum limbischen System zählt (...). Diese Hirnregion ist entwicklungsgeschichtlich sehr alt. Weil sie bereits bei den Reptilien vorkommt, sprechen Forscher vom Reptilienhirn. Es kontrolliert fundamentale Reaktionen wie Fressen, Fortpflanzung, Wutausbrüche und Kampf, aber auch Flucht. (...) Bei den meisten Frauen hingegen leuchteten auf dem Bildschirm die Neuronen des Gyrus cinguli auf, einem Bestandteil der evolutionär jungen Großhirnrinde. Dort sind viele der höheren, der Zivilisation förderlichen Gehirnfunktionen angesiedelt. Das Testergebnis scheint ein altes Klischee zu bestätigen: Männer sind stets aggressionsbereit und neigen deshalb eher zur Gewalt als Frauen. (...) Als Rechenkünstler waren beide Geschlechter scheinbar gleichrangig. Das PET aber enthüllte: In Wahrheit sind Frauen die besseren Zahlenakrobaten. Bei den männlichen Spitzenrechnern glühten die Schläfenlappen auf dem Bildschirm regelrecht vor Aktivität. Bei allen anderen Gruppen glommen diese Areale nur matt – auch bei den 700-Punkte-Frauen: Deren Gehirn erschien nicht mehr angestrengt als das aller mittelmäßigen Kandidaten. „Die Frauen, die besser abschnitten, nutzten ihr Gehirn effektiver“, urteilt Haier." (...)  Tatsächlich scheinen die Geschlechter in jedem Lebensbereich unterschiedlich zu handeln oder zu reagieren. Zwar sind viele Verallgemeinerungen längst als Vorurteile enttarnt – oft von Männern erfunden und nach wie vor kolportiert, um die These von der Überlegenheit des Mannes über die Frau zu festigen. (...) Das Yale-Team kam zu einem weiteren interessanten Ergebnis: Bei acht seiner Testfrauen funktionierte das Gehirn wie das der Männer. Die Neuropsychologin Melissa Hines von der University of California in Los Angeles überrascht dies nicht. „Bei allen Geschlechterstudien gilt, daß einige weibliche Gehirne wie die von Männern aussehen“, sagt sie. „Mädchen spielen auch häufiger mit Jungenspielzeug als umgekehrt. Männer sind viel eher auf nur eine Verhaltensweise festgelegt. Vielleicht gilt das auch für das Denken.“ (...) Ein ähnliches Problem haben sie mit dem Corpus callosum. Das Nervenbündel verbindet die linke Gehirnhälfte mit der rechten. Bei Frauen, so zeigte sich, ist es um bis zu 23 Prozent dicker als bei Männern. (...) Welches Aktivitätsmuster männliche und weibliche Hirne in Phasen absoluter Ruhe entfalten, zeigen diese PET-Bilder. Helle Flecken signalisieren hohen Energieverbrauch. Bei Männern waren Teile des limbischen Systems aktiv, das unter anderem Sexualtrieb und Aggression steuert (untere Schnittebene). Bei Frauen leuchten die Neuronen in der Großhirnrinde, die höhere Funktionen kontrolliert (obere Schnittebene). Dieses Resultat könnte die höhere Gewaltbereitschaft von Männern erklären.
1995 – selige Zeiten waren das, als solche Forschungsergebnisse noch unzensiert veröffentlicht werden durften. Verblendung und Angst in der männlich dominierten Wissenschaft und Politik, die Abwertungssucht zum Zwecke der Selbstaufwertung führen zu dauerhafter Desinformation, wie 2005 die Sendung "Frauen, Männer und die Evolution" der Sendereihe "Quarks&Co." im WDR am Beispiel der volksverblödenden Vorstellungen über geschlechtsspezifische, "natürliche" Rollenverteilung aufzeigte: "Der Mann als Jäger und Ernährer ist nichts als ein Konstrukt der Forschungsgeschichte", sagt zum Beispiel Gerd-Christian Weniger, Direktor des Neanderthal-Museums in Mettmann bei Düsseldorf.

Dieses Konstrukt stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und geht auf den Vater der Evolutionstheorie, Charles Darwin, zurück. Und auf die damalige Vorstellung einer sinnvollen, natürlichen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen – oder was die Gelehrten im späten 19. Jahrhundert dafür gehalten haben. Doch was bis heute in der populären Literatur als Erkenntnis über die Steinzeitmenschen verbreitet wird, hält Linda Owen, Dozentin für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen und Spezialistin für Geschlechterrollen in der Steinzeit, schlicht für "ideologisch und verdummend."

Ein anderes Beispiel wäre der jahrhundertealte kolportierte Mythos von der angeblich evolutionsbedingten höheren männlichen Intelligenz aufgrund des Gehirngewichts (nach dieser kruden Logik müssten Pottwale die intelligentesten Lebewesen auf diesem Planeten sein). Wenn patriarchale Gesellschaften wie die deutsche ihren Status erhalten wollen, brauchen sie nur eins zu tun: Forschungsergebnisse, die Männer scheinbar "schlechter" aussehen lassen als Frauen, diskreditieren, deren "Wissenschaftlichkeit" in Zweifel ziehen - im umgekehrten Fall allerdings spielen dann dieselben "harten" wissenschaftlichen Kriterien auf einmal keine Rolle mehr – unterschlagen, oder schlicht den Geldhahn zudrehen. Ideologisch unabhängige Grundlagenforschung, die diesen Namen verdient, wird heute einfach gar nicht mehr finanziert. So einfach ist das. Zumindest in Deutschland. Internationale Genderstudien im Ausland kann man so allerdings nicht verhindern, manchmal finden deren Ergebnisse sogar den Weg in die Mainstream-Medien, beispielsweise zur Frage: Sind Frauen schlauer als Männer? Die geifernden, hasserfüllten männlichen Kommentare unter dem betreffenden SPIEGEL-Artikel sprechen für sich.

Passt hier zwar nicht ganz hin, soll aber trotzdem festgehalten werden, nämlich folgender entlarvender Forenkommentar:
Dass Frauen heutzutage in der Lage sind, selber Geld zu  verdienen, kommt dem deutschen Mann gar nicht in den Sinn.

Und zu diesem Kommentar sollte man mal aktuelle Statistiken über die reale Verteilung der Arbeiten im Haushalt und der Kindererziehung heranziehen: 37. @Venceremos

Was ebenfalls immer wieder auffällt, ist die permanente kurzschlüssige Projektion von typisch männlich stilisierten Kampf- und Revierverhaltens auf den gesamten Rest der Menschheit, also auch auf Frauen: 
8. Sie sollten 100 Leserempfehlungen bekommen
333. Die "Anthropologische Grundkonstante"
14. Inkonsequent

So lässt sich die herrschende neoliberale Ideologie natürlich wunderbar rechtfertigen.

Geschlossene Front


Sind aus den hier präsentierten Forschungsergebnissen irgendwelche nennenswerten Konsequenzen gezogen worden? Selbstverständlich nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder aufmerksame und reflektierte Beobachter der Entwicklung der letzten Jahrzehnte muss konstatieren, dass Deutschland in eine Art Pavian-Kultur zurückgefallen ist. Es hat sich eine geschlossene Front etabliert, die massiv die Selbstbestimmungsrechte der Frauen untergräbt und systematisch zurückschneidet, angefangen von den Bildungsinstitutionen über die Wirtschaft bis hin zu politischen Grundsatzentscheidungen, Rechtsprechung, Medien und den Kirchen. Wir haben es hier mittlerweile mit institutionalisierten Menschenrechtsverletzungen zu tun. Nach der letzten Volkszählung stellen Frauen von den 80,2 Mio Einwohnern die Mehrheit in Deutschland. Gut 41 Millionen weiblichen Einwohnern stehen lediglich etwas mehr als 39 Millionen Männer gegenüber.

Der Befund ist eindeutig: Deutschland ist mittlerweile EU-Spitzenreiter in Sachen Frauendiskriminierung, wie die Süddeutsche in Bezug auf eine OECD-Studie feststellt.

Nicht nur für die Wochenzeitung Der Freitag müssen die Mainstream-Jubelartikel über die angebliche neue Herrschaft der Frauen als reine (Wahlkampf-)propaganda bezeichnet werden.
"Etwa zur gleichen Zeit, zu der die Zeit die "Feminisierung der Republik" proklamierte, veröffentlichte die OECD neue Daten über die geschlechtsspezifische Einkommensverteilung in ihren Mitgliedsländern. Und siehe da: In den 34 Staaten rangieren die deutschen Frauen – nach Südkorea und Japan – ganz hinten: Sie verdienen immer noch 21,6 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Jobs, im gebeutelten Griechenland beträgt der Unterschied dagegen nur 9,6 Prozent."
Weitere Belege für systematische Diskriminierung liefert etwa der DIW Wochenbericht Nr. 3/2011, 18.01.2011:
"Im internationalen Vergleich liegt der Frauenanteil in Vorständen in Deutschland weit hinter anderen europäischen Ländern, aber auch hinter Schwellenländern wie China oder Brasilien."
Im Ranking des Global Gender Gap Report 2012 des Weltwirtschaftsforums liegt Deutschland hinter Nicaragua und ist damit auf Dritte-Welt-Niveau abgesackt.
"The index continues to track the strong correlation between a country’s gender gap and its national competitiveness. Because women account for one-half of a country’s potential talent base, a nation’s competitiveness in the long term depends significantly on whether and how it educates and utilizes its women."
Die ZEIT kommentiert diese Ergebnisse folgendermaßen:
"Es gibt mittlerweile Anzeichen dafür, dass Frauen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aufgrund ihres Geschlechtes geringer bezahlt werden als Männer."
und mit Blick auf das deutsche Bildungswesen und den deutschen Arbeitsmarkt:
"Deutschland landet im weltweiten Vergleich auf Rang 13 von 135 – und ist um zwei Plätze gegenüber dem Vorjahr abgerutscht. 2006, als der Bericht zum ersten Mal erstellt wurde, war Deutschland noch auf Platz fünf. (...) Besonders erschreckend ist die Situation an deutschen Hochschulen: Hier kommen laut neuesten Zahlen des Berichts auf einen männlichen Studenten, statistisch gesehen, nur noch 0,89 weibliche. Platz 101 von 135. (...) Interessant ist der Vergleich mit einem anderen Bericht, in dem das Weltwirtschaftsforum jährlich die Wettbewerbsfähigkeit von mehr als 140 Ländern vergleicht: dem Global Competitiveness Report. Sechs der zehn wettbewerbsfähigsten Staaten 2011/12 tauchen auch in den Top 20 des aktuellen Geschlechterberichts auf."
Mit gerade einmal 26,5 Prozent Frauen in Führungspositionen liegt Deutschland noch hinter Griechenland und Zypern.
"Was nur einen Schluss zulässt: Dass wir längst eine Quote eingeführt haben. Die ungerechte Verteilung der Jobs seit Jahrzehnten ist nichts anderes als eine unausgesprochene, subtil eingeführte und vehement verteidigte Zwangsmaßnahme zugunsten der Männer." (ZEIT online, "Gleichberechtigung: Eine Quote gegen die Quote", 02.05.2013)
Könnte der Zusammenhang zwischen Gleichberechtigung und Wettbewerbsfähigkeit nicht auch einfach daran liegen, dass in den skandinavischen Ländern die Bevölkerung so gering ist? Dass man dort wirklich auf jeden Bürger, jede Arbeitskraft angewiesen ist? Dort, wo die Bevölkerungszahlen explodieren, fällt es männlichen Machthaber nicht schwer, Frauen aus Bildung und Wirtschaft einfach auszuschließen. Nicaragua und die Philippinen allerdings gehören nicht in dieses Schema. Da muss es andere Gründe geben.

Wenn man sich die für Deutschland desaströsen Rankingergebnisse ansieht, fragt man sich: Was ist los in diesem Land? Warum Deutschland? Woran liegt das? Was ist mit den deutschen Männern los? Hat der preußische Kadavergehorsam etwas damit zu tun, die protestantische Arbeitsethik? Wird das Frauenbild des wilhelminischen Kaiserreichs und des Nationalsozialisten jetzt wieder aufgewärmt? Liegt es am vorherrschenden Persönlichkeitstypus des "Autoritären Charakters" (Adorno und Horkheimer), der sich nur hierzulande so lange und so durchgängig erhalten hat? Nirgendwo in Europa und im Reigen der großen Industrienationen gibt es eine größere Rückständigkeit der Rollenverhältnisse in der Arbeitswelt, eine größere Familien- und Kinderfeindlichkeit. Der Sexismus und Chauvinismus ist allgegenwärtig.

Das Beispiel einer kleinen Meldung "Mit Papa im Rock einmal um die Welt" zeigt deutliche nationale Unterschiede in den Einstellungen. In Deutschland geht ein Vater mit seinem Sohn durch die Stadt, beide tragen einen Rock. Die amerikanische Reaktion ist weitgehend wohlwollend, die der deutschen, deutlich männlich dominierten Netzöffentlichkeit ablehnend und verächtlich.

Ich denke, man darf mittlerweile getrost davon ausgehen: Je größer die Potenzprobleme, je beschädigter die Spermien, je geringer die Körpergröße, desto aufgeblasener die Machofassade, desto verbissener die Reduktion des überhöhten Selbstbildes auf eine allzeit bereite Testosteronkanone. Ehefrau und Kinder werden als persönlicher Besitz betrachtet, als Investition in das eigene Image. Fotos der Lieben werden strategisch auf dem Büroschreibtisch zur Schau gestellt wie Jagdtrophäen. Und auf seinen persönliche Besitz glaubt der Mann einen lebenslangen Anspruch zu haben, auf welcher imaginären Grundlage auch immer. Wenn der Machtentzug in Form einer Trennung droht, dürfen Frau und Kind dann auch mit in den Tod qua feigen Suizid genommen werden. Was ich nicht haben kann, darf auch kein anderer haben. Eine Partnerschaft mit starken unabhängigen Frauen auf Augenhöhe ertragen speziell deutsche Männer nicht. Sie muss kleiner, dümmer, jünger und vor allem unterwürfig sein. Heiratswillige Frauen aus dem asiatischen Raum – Thais, Philippinas, Vietnamesinnen - rennen bei deutschen Männern offene Türen ein.

Vielleicht konnte der Nationalsozialismus deshalb so erfolgreich einschlagen, weil er auf eine entsprechende deutsche patriarchale Chauvi-Kultur, auf einen passenden Resonanzkörper traf - auch in Italien (Mussolini) und Spanien (Franco).

Zweierlei Maß


Wenn Männer sich verabreden, lästige Konkurrentinnen loszuwerden oder gar nicht erst hochkommen zu lassen, werden eben die Qualifikations- und Leistungsbewertungskriterien geändert: Männer dürfen und müssen sogar als Führungskraft rücksichtslos sein, Frauen aber nicht, das gilt dann auf einmal als Ausschlusskriterium. Diese Strategie ist überaus durchsichtig.

Mann kann Frau zwar nicht mehr direkt davon abhalten, die heiligen Hallen der männlichen wissenschaftlichen Rationalität zu besudeln, dafür verweigert man ihnen dann eben später die Jobs, die Beförderungen, die Aufträge. Und die Hausarbeit und Kindererziehung bleibt selbstverständlich weiterhin Frauensache. Denn: Wir haben es ja so gewollt, nicht wahr?

Deutsche Frauen werden mit aller Macht aus den oberen Gehaltsgruppen gedrängt. Männliche Seilschaften sorgen dafür, dass Frauen die gläserne Decke nicht durchbrechen und draußen vor der Tür bleiben, wie die ZEIT an einem typischen Fallbeispiel aufzeigte.
"Es gilt: Je höher die Karrierestufe, desto niedriger der Frauenanteil. Bei den Professuren sind Frauen nur noch mit 13,6 Prozent vertreten."
In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen gerade einmal bei 11 Prozent.

Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die WDR-Sendung in der Reihe "Quarks & Co.": Der lange Weg zur Gleichstellung (Sendung vom Dienstag, 03. Mai 2005, 21.00 - 21.45 Uhr:
"In den westlichen Gesellschaften spielt die Ausbildung und die Leistung bei der Stellenvergabe oder auch bei der Beförderung eine große Rolle. Das Geschlecht dürfte und sollte dabei kein Nachteil sein. Doch einige Untersuchungen haben eine andere Realität gezeigt. Zum Beispiel in Schweden, dort fand vor einigen Jahren eine Untersuchung statt, die in den Hochschulkreisen für Wirbel sorgte: Frauen und Männer, die sich nach einem Medizinstudium um ein Stipendium bewarben, wurden von den Stipendiengebern unterschiedlich beurteilt. So mussten Frauen bis zu 20 wissenschaftliche Veröffentlichungen mehr vorweisen, als Männer, um als gleich gut beurteilt zu werden. Andere Untersuchungen weisen in dieselbe Richtung: Das Geschlecht spielt bei Posten und Karriere immer noch ein Rolle – die Chancen sind keineswegs gleichmäßig verteilt."
In einer durch und durch männlich dominierten, mittlerweile fast vollständig ökonomisierten Kultur können weibliche Quoten-Vorstände überhaupt nichts bewirken, erst recht nicht, wenn die Rache der sich nun als bedrohte und unterdrückte Minderheit fühlenden Männer darin besteht, die "Quoten"- und Erfolgsfrauen gezielt auflaufen zu lassen, wie das Beispiel der Telekom zeigt.
"Zu ihrem Scheitern beigetragen haben könnte auch, dass Frauen in Spitzenposten erfahrungsgemäß unter weit strengerer Beobachtung stehen als Männer. Wird Mittelmaß bei männlichen Chefs geduldet, bedeutet es für Frauen gleich das Aus. Gleiches gilt für Fehler."
Es ist entlarvend und alarmierend, dass sich in Deutschland offenbar nur noch eremitierte Professoren wie Hans-Ulrich Wehler oder andere "Graue Eminenzen" in einer finanziell abgesicherten, unkündbaren Position trauen, für eine Frauenquote zu plädieren. Andere Männer müssten wohl das Ende ihrer Karriere befürchten, weil sie als Nestbeschmutzer vom Rudel verstoßen werden.

Darf man Männer diskriminieren, um Frauen zu fördern? Ja, natürlich. Denn die Frauendiskriminierung, um Männer zu fördern, ist seit Jahrhunderten von den Männern jedenfalls nicht beanstandet worden. Logischerweise. Warum soll es ausnahmsweise nicht auch mal umgekehrt laufen?

Das Messen nach zweierlei Maß ist in Deutschland Normalfall: Was bei Männern völlig selbstverständlich ist, macht man Frauen zum Vorwurf. Die Karriereorientierung einer CSU-Politikerin dient als Rechtfertigung fürs Absägen; auch Linke-Chefin Sahra Wagenknecht erhält dafür eine Rüge der Journalisten (inklusive einer abfälligen sexistischen Titelzeile).

Etliche Kommentare zu einschlägigen Berichten von deutschen Frauen aus der Arbeitswelt bestätigen die allgegenwärtige Diskriminierung:
40. Frauenproblem
47. jepp, kenn ich...
58. Die Gesellschaft krankt an den Männern.
66. Ein krankes wirtschaftliches System und

MINT gewinnt


Alle Lebensbereiche, in denen weibliche Stärken nötig sind, in denen Frauen sich wieder finden können - Kindererziehung, Schulbildung, Altenpflege, Sozialarbeit, ehrenamtliche Tätigkeiten, aber auch alle Arten von Erkenntnisgewinn und Wissensvermittlung mittels Sprache (Geisteswissenschaften, Journalismus), - also alle Bereiche, die sich der unmittelbaren ökonomischen Verwertungslogik entziehen, wurden in den letzten Jahrzehnten systematisch finanziell ausgehöhlt und durch den daraus resultierenden niedrigen Sozialstatus der männlichen Verachtung preisgegeben.

Im Gegenzug wurden die sogenannten "harten", traditionell männlichen Arbeitsbereiche massiv aufgewertet: Naturwissenschaften, Medizin, Technik, Informatik, Mathematik sowie die daraus abgeleiteten pseudo-wissenschaftlichen Lehren der Makro und Mikroökonomie, - Bereiche, in denen praktischerweise die Frage nach dem Sinn, dem Warum und Wozu, die normative und moralische Komponente von vornherein irrelevant ist, nur deshalb, weil sie sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt. Deutschland ist inzwischen zu einem MINT-Männer-Biotop mutiert: Der Freitag Online, 21.10.2012 | 23:51

Alle noch verbliebenen Nischen des "Wahren, Guten und Schönen" werden durch PR-, Marketing- und Unternehmensberater auf ihre Marktkonformität abgeklopft und zurechtgestaucht, durchökonomisiert. Literatur, Musik, Theater, Kunst, sogar die Wissenschaft -: nichts geht mehr ohne Evaluation, Statistik, Zielgruppenanalyse, Benchmarking, externe Agenturen.

Börsen- und Sportnachrichten in der Tagesschau zur Hauptsendezeit sind nur die sichtbarsten Zeichen der öden Überrepräsentanz männlicher Sphären im kulturellen Leben, wie überhaupt der ganze kindische Kult um angestammte und mit einer geradezu manisch anmutenden Verbissenheit überhöhten Männerreviere wie Fußball - eine der korruptesten und mafiösesten Sportarten, die es überhaupt gibt, und Autos – ein Fortbewegungsmittel, das bei nüchterner Betrachtung spätestens seit den 70er Jahren vor dem Hintergrund der zu erwartenden globalen Bevölkerungs- und Ressourcenentwicklung als Dinosauriertechnologie bezeichnen muss. Man könnte jetzt argumentieren: Niemand ist gezwungen, Sport- und Autonews zu konsumieren. Ich halte dagegen, dass ich und Millionen anderer Frauen diese Spielwiesen zwangsweise mitfinanzieren müssen. Und dies trifft im Prinzip auf die gesamte patriarchalische Kultur zu: Eine Hälfte verwirklicht sich auf Kosten der anderen Hälfte.


Mulier taceat in ecclesia


„Das Weib schweige in der Gemeinde“: Aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther (14, 34). Soll heißen: Frauen sollen in öffentlichen Angelegenheiten gefälligst den Mund halten. Ein Erfahrungsbericht einer Foristin macht deutlich: Wenn Frauen versuchen, sich in der männerdominierten Sphäre des Web 2.0 Gehör zu verschaffen, werden sie weggemobbt, weggebissen:

Ich selber habe folgendes erlebt, und jeder kann es jederzeit selber austesten: Man melde sich in einem beliebigen öffentlichen Web-Forum mit einem neutralen oder gar maskulinen Usernamen an, beteilige sich eine Weile rege an den politischen oder wirtschaftlichen Debatten und lasse dann einfach mal nebenbei "die Hüllen fallen", sprich: man oute sich als Frau: Sofort wird man im Rudel persönlich und unter der Gürtellinie angegriffen. Persönlich, nicht etwa inhaltlich. Und zwar auch von denjenigen Usern, mit denen man vorher noch halbwegs sachlich und respektvoll kommuniziert hatte. Im Schutz der Anonymität ist hemmungsloses Frauen-Bashing in den weitgehend männlich dominierten Foren inzwischen die absolute Norm: 9. Oft gegen Frauen

Nigger of the world


Seit Beginn der Zivilisation sind die Frauen die Sklaven der Welt, rund um den Globus. Frauen sind im Patriarchat permanent gezwungen, sich als Negation zu definieren, nämlich nicht-männlich zu sein. Frauen werden am Männermaßstab gemessen, nach derselben bornierten Logik wie Äpfel mit Birnen verglichen werden. Nie ist es umgekehrt, nie müssen sich Männer an weiblichen Maßstäben messen lassen. Nie gab es den ernsthaften Versuch, männliche und weibliche Lebenswelten gleichberechtigt, ohne diesen ständigen, lebenslangen Leistungs- und Verwertungszwang, ohne normative Regelungen - du hast als Mann, als Frau so und so zu sein - zu verwirklichen.

Konsequenterweise schiebt das Christentum der Frau die Erbsünde in die Schuhe. Fast jede Religion auf der Welt verdammt die weibliche Sexualität. Kein Wunder, Religion ist eine Erfindung von Männern, ein institutionalisiertes Machtinstrument zur Unterdrückung und Kontrolle von Frauen.

Die bornierte Abgrenzungs- und Selbstaufwertungsmanie der Männer führt nicht nur zur allgemeinen gesellschaftlichen Abwertung von Frauen, sondern geht sogar bis hin zur gesellschaftskonformen Pathologisierung von als typisch "feminin" stigmatisierter Verhaltensweisen - man denke nur an Freud und seine "hysterischen" Patientinnen -, worauf folgender Kommentar hinweist:
"Die Zur-Norm-Setzung des Männlichen hat z.B. in der Klinische Psychologie ziemlich problematische Konsequenzen. Welches Erleben und Verhalten von Menschen als “psychisch gestört” und damit behandlungsbedürftig gesehen wird, hängt stark von der Norm bzw. vom Abweichen von ihr ab. Aspekte des männlichen Stereotyps wie Durchsetzungsstärke, Dominanz o.ä. werden als Merkmale für psychische Störungen im Erwachsenenalter so gut wie gar nicht genannt, Aspekte des weiblichen Stereotyps dagegen schon (abhängig, emotional…). Das elendige Dilemma für Frauen: Verhält sich eine Frau nun gemäß dem weiblichen Stereotyp, besteht die Gefahr, für dieses Verhalten kritisiert zu werden (z.B. für “hysterisches” Verhalten gehasst zu werden). Verhält sie sich entsprechend dem männlichen Stereotyp, besteht die Gefahr, für unweibliches Verhalten kritisiert zu werden (oder überheblich behandelt). Stereotyp weibliches Verhalten gerät viel schneller in Verdacht, psychisch gestört zu sein. Das habe ich bei Annette Kämmerer gelesen und fand es sehr einleuchtend."
Frauen werden diffamiert, lächerlich gemacht, eingesperrt, wenn sie "hysterisch" werden oder wenn sie zu intelligent und zu selbstständig sind. Das Schicksal der Lily in dem Roman "Frauen" von Marylin French, die von ihrem sadistischen Ehemann und einer verrohten, gefühllosen frauenfeindlichen Umgebung bis in die Psychiatrie getrieben wird, spielt sich überall ab. Der Toleranz-Spielraum für Verhaltensauffälligkeiten ist bei Frauen wesentlich geringer, einfach deshalb, weil die meisten Ärzte und Amtsrichter, die über Einweisungen zu entscheiden haben, Männer sind. Dass bestimmte Verhaltensweisen von Frauen - und natürlich auch von Männern - genauso gut als gesunde Abwehrreaktion auf extreme gesellschaftliche repressive Zumutungen, auf Anpassungs-, Konformitäts- und Zurichtungsprozesse gewertet werden können, wird von vornherein ausgeblendet.

Stattdessen werden Schutzzonen und Nischen eingerichtet, damit wenigstens dort so etwas wie weibliche (Schein-)Identität zu ihrem Recht kommt. Wie großmütig. Diejenigen Frauen, die kraft Geburt oder Heirat in der Lage waren, ihrem Schicksal als Gebärmutter und / oder Dienstmagd ihres ihnen meist aufgezwungenen Ehegatten zu entkommen, haben bewiesen, dass sie mit Macht umgehen können - obwohl ihnen intellektuelle Bildung oftmals vorenthalten wurde: Kleopatra II von Ägypten, Suiko, Kaiserin von Japan, Wu Zetian, Kaiserin von China, Theophanu, Regentin des Römischen Reiches, Eleonore von Aquitanien, Maria II von England, Maria Theresia von Österreich, Elisabeth I von England, Victoria von England, Katharina die Große von Russland, selbst die magersüchtige Elisabeth von Österreich-Ungarn, Sisi, hat in den ihr gesetzten engen Grenzen noch eigene Akzente setzen können.

Es gibt bis heute keine eigene weibliche Kultur, keine eigene weibliche Identität, sondern nur die stilisierte Negativschablone. Ein Leben als Frau in einer Welt, die von Männern für Männer gemacht ist, bedeutet entweder Anpassung und Unterwerfung, d.h. Selbstverleugnung oder das totale gesellschaftliche Abseits als Aussätzige.

Albert Einstein wurde und wird immer noch von der Welt gefeiert und verehrt. Das Online-Magazin Telepolis wagt es, einmal einen Blick auf die Schattenseite des Genies zu werfen Auch auf dieses Beispiel treffen die Thesen von Arno Gruen ins Schwarze. Es wäre interessant zu wissen, wie viele der größten Frauenverächter in ihrem privaten Alltag von der Krankenpflege, der Betreuung, der Liebe und Zuwendung, nicht zuletzt der Finanzierung durch Frauen abhängig gewesen sind: Ehefrauen, Schwestern, Mätressen, Patroninnen.

Ich will es mal so ausdrücken: Für Frauen vergangener Jahrhunderte, die sich tagaus, tagein mit Windeln waschen, Gemüse putzen, der Kindererziehung befassen mussten, immer des Risikos gegenwärtig, vom Mann und Ernährer sitzen gelassen oder im Kindbett abzukratzen, wäre es sehr schwierig gewesen, über die Welt da draußen zu philosophieren, nebenbei Sinfonien zu komponieren oder Gedichte zu schreiben. Kunst und Wissenschaft macht man entweder ganz oder gar nicht.

Immer wieder werden Beispiele für systematisches Totschweigen von weiblichen Pionierleistungen bekannt, vor allem innerhalb prestigeträchtiger Männerdomänen wie der Informatik oder der Fliegerei (Amelia Earhart) oder den Naturwssenschaften (Lise Meitner).

Das Muster ist immer dasselbe: Sobald eine neue Technologie, ein neuer Wirtschaftszweig, in irgendeiner Weise profitabel wird – mehr Einkommen, mehr Status, mehr gesellschaftliche Macht -, werden die dort tätigen Frauen ausgebootet. Wer es als Frau trotzdem bis nach oben schafft, wird gemobbt, schikaniert, gezielt überfordert, werden Leistungen von Männern und Frauen mit zweierlei Maß gemessen. Die Physikerin und Chemikerin Marie Curie war Zielscheibe von Hetzkampagnen, Verleumdungen, übler Nachrede. Man riet ihr ab, den Nobelpreis entgegen zu nehmen. Sie widersetzte sich und fuhr trotzdem nach Stockholm. Bereits Curie hat bemerkt: In einer Welt, die von der gier nach Geld und Luxus bestimmt ist, hat die Forschung einen schweren Stand. Dabei ist sie das wertvollste, was die Menschheit aufzubieten hat.

Deutschland: oversexed und underfucked


Deutschland ist "oversexed und underfucked", wie es in der "Scobel"-Sendung auf 3Sat am 17.12.2013 treffend hieß. Der Konsum von Pornos steigt stetig, angeblich sollen mehr als 2/3 der Deutschen sie regelmäßig konsumieren. Pornos suggerieren die Allzeitverfügbarkeit von Frauen. Fakt ist jedoch: Der durchschnittliche Deutsche, egal ob Mann oder Frau ist 1,67 m groß und übergewichtig. Das allein zeigt die totale Diskrepanz zwischen verordnetem Idealbild und der Realität.

Davon abgesehen wurden in der Sendung die bislang bekannten geschlechtsspezifischen Unterschiede nochmals bestätigt: Männer interessieren sich tatsächlich nur für Äußerlichkeiten. Egal, welche, Hauptsache, irgendeine Frau, sie folgen dem durch das limbische System gesteuerte Reiz-Reaktions-Schema. Männer bevorzugen bei Frauenkörpern die Sanduhrform. Sogar die Bewegungen von Frauen müssen dem Schema entsprechen, also ausreichend sinnlich sein.

Der gesellschaftliche Aufstieg von Frauen hängt folgerichtig von ihrer äußeren Attraktivität ab, weniger von ihrer Intelligenz. Frauen suchen erfolgreiche Männer mit Ressourcen, sprich: mit Status und Macht, um die Aufzucht des Nachwuchses zu erleichtern. Frauen werden im Auswahlverfahren demnach eher vom Verstand, vom Neokortex gesteuert. Der Neokortex ist eine evolutionär neue Stufe der Hirnentwicklung, stammesgeschichtlich der jüngste Teil des Gehirns und wurde nur bei Säugetieren ausgebildet.

Im Stadium der Verliebtheit setzt das Urteilsvermögen buchstäblich aus. Liebe ist neurochemisch betrachtet ein archaischer Mechanismus, der nur zu Zwecken der kurzfristigen Bindungsfähigkeit und Zeugung von Nachkommen dient.

Einer der interessantesten Aspekte bei der "Scobel"-Sendung jedoch war der Hinweis darauf, dass die deutsche Sexualforschung "quasi abgewickelt" und als akademische Fachdisziplin so gut wie bedeutungslos geworden ist. Stattdessen beherrschen seit 10 bis 15 Jahren Evolutions- und Neurobiologen den wissenschaftlichen Diskurs. Der Theorie-Trend geht in Richtung Reduktionismus.

Bereits 2005 fällt in dem Beitrag der Sendereihe Quarks&Co. (Dienstag, 03. Mai 2005, 21.00 - 21.45 Uhr) über das Denken der Frauen die Verkürzung der Fragestellung auf eine simple Entweder-Oder-Entscheidung auf:
"Eine Frage kann diese Untersuchung aber nicht beantworten: warum arbeiten die Gehirne von Männern und Frauen überhaupt unterschiedlich? Nach dem aktuellen Forschungsstand steht es immer noch 1:1 – es könnten biologische oder anerzogene Verhaltensmuster sein."
Warum? Weil ein Sowohl-als-auch schon zu kompliziert ist? Weil soziokulturelle Forschungen Anlass zu ideologiekritischen Erkenntnissen führen könnten?

Die Erforschung der "natürlichen" Sexualität löst demnach die Erforschung komplexer sozialpsychologischer und kultureller Wechselwirkungen ab, analog zum sozialdarwinistischen neoliberalen Dogma - "there is no such thing as society" - und zur Ökonomisierung der gesamten Lebenswirklichkeit. Nur noch einfache, quantifizierbare Erklärungen sind gefragt, Formeln und Messdaten. Man sucht nach Eindeutigkeit, nach Schubladen - Männer sind so, Frauen so -, und das alles unter dem Etikett der "harten" objektiven Wissenschaftlichkeit. Wieder treffen wir hier auf den naturalistischen Fehlschluss: Das, was man zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt in den Gehirnen der Probanden messen kann, die Faktizität, wird mit dem "natürlichen" Urzustand, dem normativen Soll-Zustand, umstandslos und unreflektiert gleichgesetzt.

Männer verinnerlichen Porno-Skripte, was zu einem völlig verzerrten und unrealistischen Frauenbild führt, sind noch dazu total unfähig, die überzogenen Maßstäbe an sich selber anzulegen. Sexualpsychologen wie Christoph Josef Ahlers sind mittlerweile beunruhigt über das Ausmaß der Pornografisierung und des Exhibitionismus in der Gesellschaft, speziell unter Jugendlichen.
"Ahlers: Es ist zurzeit en vogue, als Sexualwissenschaftler zu sagen, anything goes, alles easy, Porno-Kompetenz und so weiter. Ich komme mir daher selbst ein bisschen vatikanisch vor, wenn ich sage, wir befinden uns hier in einem weltweiten Feldversuch ohne Ethikkommission. 300 Millionen Menschen rufen pro Monat die Sexseiten des YouPorn-Imperiums auf. Und da sprechen wir ja noch von Standardpornografie. Genau so umstandslos ist auch paraphile Pornografie im Internet rund um die Uhr in jedem Kinderzimmer verfügbar. Das hat es menschheitsgeschichtlich noch nie gegeben. Wir wissen schlicht nicht, was es mit formbaren Gehirnen von jungen Menschen macht, wenn sie diesen Filmen wiederholt ausgesetzt sind." (ZEIT magazin, "Sexualität: Vom Himmel auf Erden", 25.04.2013)

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